Der Latissimus oder lateinisch korrekt M. latissimus dorsi, zu deutsch einfach der große Rückenmuskel, ist wohl mit der begehrteste Muskel überhaupt. In Zusammenspiel mit breiten gut ausgebildeten Schultern bildet er die von vielen Frauen angehimmelte und von vielen Männern sehnlich gewollte „V-Form“. Sie ist das Symbol schlecht hin für Stärke und Athletik. Wie ihr eure Flügel bekommt und wo die meisten Fehler lauern, erfahrt ihr im folgenden Artikel

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Anatomische Grundlagen des Latissimus

Der Latissimus ist fast über dem gesamten Rücken präsent. Er hat verschieden Ursprünge und einen festen Ansatz. Zunächst möchte ich erst einmal ganz kurz erklären, was Ursprung und Ansatz bei Muskeln sind. Dies ist ein wichtiger Faktor, nicht nur beim Latissimus, sondern auch bei vielen anderen Muskeln. Hieraus ergeben sich meist sehr logisch die Funktionen der einzelnen Muskeln und es lässt sich auch für Laien die richtige Technik der Übung ansatzweise ableiten.

Die Befestigung eines Skelettmuskels definiert sich immer an zwei Punkten, dem Ursprung und dem Ansatz. Die Befestigung erfolgt über Sehnen und Faszien. Als Ursprung eines Muskels ist immer die Befestigung an einem unbeweglichen Teil (punctum fixum) zu sehen. Wohingegen der Ansatz immer an einem beweglichen Teil (punctum mobile) zu finden ist.

Übertragen auf den Latissimus ergibt sich also in Bezug auf Ursprung und Ansatz folgendes:

Ursprung

  • unterer Winkel der Scapula (Schulterblatt)
  • 10.-12. Rippe
  • Dornfortsätze 7.-12. Brustwirbel, Lenden- und Kreuzbeinwirbel
  • Darmbeinkamm

Ansatz

  • Medialseite des Humeruskopfes (wer es ganz genau wissen möchte; setzt am Sulcus intertubercularis des Humerus an, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ansatz des Musculus teres major an der Crista tuberculi minoris humeri)

Daraus ergeben sich einige Funktionen. Der Latissimus umfasst die Adduktion und Innenrotation des Armes. Er unterstützt des Weiteren die Retroversion, also die Drehung des Oberarmkopfes in der Schulterpfanne. Bei fixiertem Arm ist der Latissimus in der Lage, den Oberkörper an dem Arm heranzuziehen und stellt somit einen wichtigen Muskel beim Klettern dar. Zudem zählt der Latissimus zu der Atemhilfsmuskulatur und unterstützt die Ausatmung. Das erklärt auch, warum sich ein untrainiert Latissimus nach einer Erkältung mit starkem Husten in Form von Muskelkater bemerkbar macht.

Wie oben schon erwähnt, trägt der Latissimus, wenn er gut trainiert ist, zu der typischen V-Form eines Bodybuilders bei. Es ist jedoch ein Irrglaube, ihn aus gesundheitlichen Gründen übermäßig zu trainieren, da er nicht zu den primär stützendes Rückenmuskeln zählt. Hier sin die mm. rhomboidei, die Rautenmuskeln, wichtiger. Diese können zum Beispiel sehr schön mit Band Pull Aparts trainiert werden.

Latissimus Training

Aus den vorher genannten anatomischen Gegebenheiten und Funktionen des Latissimus, lassen sich nun recht simpel die passenden Übungen finden. Wir wissen, dass der Latissimus den Oberarm an den Körper heranzieht und auch nach innen rotieren lassen kann. Demzufolge sind Übungen, welche dieses Bewegungsmuster inne haben empfehlenswert.

Red Bull verleit Flügel. Falsch! Klimmzüge verleihen Flügel.

Wir alles haben dieses Zitat schon einmal gesehen. Im Kern ist es war. Die beste zugleich effektivste Übung für einen breiten Latissimus, oder umgangssprachlich einfach nur Lat genannt, sind Klimmzüge. Auf was man hier alles achten muss und wie man sie effektiver ausführt, auch für Anfänger, dazu haben wir schon einen sehr ausführlichen Artikel, den ich hier an dieser Stelle einfach mal verlinken möchte → Klimmzüge, die Trainingsgrundlagen

Wichtig bleibt jedoch zu sagen, macht sie einfach. Egal ob ihr zu schwer seid und eigentlich schon mit Arbeitsgewicht trainiert oder nicht, aber bitte tut mir einen großen Gefallen und lasst euch nicht hängen und lasst sie nicht ganz weg. Nehmt euch ein Deuserband oder macht sich an einem Klimmzugturm mit Gegengewicht, aber bitte um Himmels Willen macht sie. Macht eure Schwäche zu eurer Stärke. Ich hab mich auch lange davor gescheut sie regelmäßig zu machen. Am Anfang habe ich nicht einen einzigen sauberen freien Klimmzug geschafft. Ich war dann demotiviert und habe sie einfach ganz weggelassen und habe micht statt dessen mehr auf den Latzug konzentriert. Wieder in meine Trainingsroutine aufgenommen, wurde ich immer besser. Das motiviert natürlich zusätzlich und lässt den Lat ordentlich wachsen.

Neben Klimmzügen gibt es aber noch andere gute Übungen. Der Grund eures Rückentrainings sollte immer eine horizontale und vertikale Zugübung sein. Die horizontalen Zugübungen sind zum Beispiel Ruderbewegungen am Kabelzug. Zu den vertikalen Zugübungen zählen Latzug und Klimmzüge (vertikale Zugübungen von oben) und auch Kreuzheben, als vertikale Zugübung von unten. Eine gute Alternative zu Klimmzügen und Latzug ist auch das hängende Rudern oder Inverted Rows genannt. Abgerundet wird das Ganze noch mit Isolationsübungen.

Jetzt noch die große Frage „Muss ich breit oder enge greifen?“ Prinzipiell ist anzumerken, dass es die Mischung macht. Auch die Griffpositionen sollten zwischen Pronation, Supination und neutralem Griff variieren. Je nach Griff wird dann der Bizeps und der Brachialis mehr oder weniger involviert. Der pronierte Griff, der Handrücken zeigt nach oben, ist der schwerste Griff, da hier die Hauptlast vom Latissimus selber gezogen werden muss. Beim supinierten Griff, Handflächen zeigen nach oben, greift der Bizeps mit ein und beim Neutralgriff oder auch Kammgriff genannt hilft der Brachialis kräftig mit.

 

Fehlerquellen

Hauptfehler Nummer 1 beim Latissimustraining ist ein zu breiter Griff am Latzug frei nach de Motto „je breiter der Griff, desto breiter der Lat!“. Das ist jedoch falsch. Wird beim Latzug zu breit gegriffen, so nehme ich den Fokus vom Latissimus weg und verschiebe ihn bzw. involviere vielmehr die umliegenden Muskeln wie die Rautenmuskeln. Ein Griff etwa eine Faust breiter als schulterbreit ist hier völlig ausreichend. Viele Latzugstangen haben eine auffällige Biegung. Wer kurz hinter dieser Biegung greift, ist auf der sicheren Seite.

Eine weitere Fehlerquelle, die auch am Latzug zu finden ist, sind zu weit nach außen ausgestellte Ellenbogen. Weiter oben haben wir glernt, dass der Latissimus neben Adduktion auch eine Innenrotation des Armes ausführt. Nutzen wir dieses Wissen. Bevor man die Latzugstange heranzieht, sollte man seine Ellenbogen aktiv leicht nach innen rotieren, was den Fokus noch mehr auf den Latissimus legt und diesen auch stärker involviert.

Gehen wir weg vom Latzug und sehen uns andere Übungen an, bei denen der Latissimus involviert werden sollte, es meist jedoch nicht macht.

Ein gutes Beispiel, welches ich persönlich oft sehe und früher auch oftmals falsch gemacht habe, ist die fehlende Aktivierung des Latissimus beim Kreuzheben. Betrachtet man viele Hobbyathleten im Profil, so fallen oftmals die nach vorn fallenden Schultern auf. Grund hierfür ist die fehlende Latissimusaktivierung. Aktiviert man vor dem eigentlichen Zug den Lat und zieht die Schultern aktiv nach hinten, so dass die Stange schon fast den Boden verlässt, ist man erstens viel stabiler und zweitens involviert die beteiligten Muskeln auch vielmehr.

Neben den üblichen Verdächtigen wie der eigentlichen Übungsausführung kommt eine Fehlerquelle meiner Meinung nach am Häufigsten vor. Das eigene Ego. Es wird einfach viel zu viel Gewicht bewegt, frei nach dem Motto viel hilft viel. Dass zur Lastenbewältigung aber so viel Schwung geholt wird, dass alle anderen Muskeln arbeiten außer aber der Latissimus ist erst einmal Nebensache. Hautpsache ich kann der hübschen Dame im Kniebeugen – Rack imponieren oder denke zumindest, dass ich dies mache. Vergesst das Gewicht. Wichtiger als das Gewicht ist die richtige Technik. Ihr müsst den Muskel spüren wie er arbeitet, es euch innerlich vorstellen, Stichwort „Muscle-Mind-Connection„.

Fazit

Einfach rein ins Studio und irgendwelche beliebigen Zugübungen egal wie bewältigen, ist nicht. Der Latissiums als flächenmäßig größter Muskel hat ironischer Weise mehr eine optische Funktion als eine eigentliche Stützfunktion. Falsche Übungsausführung und ein großes Ego welches einem im Wege steht, behindern ein wirklich sinnvolles und effektives Krafttraining. Darum lasst das Ego vor dem Studio, wir haben alle einmal klein angefangen und niemand ist als Schrankwand vom Himmel gefallen.

Trainiert mit Sinn und Verstand, lest euch in die Materie ein und beschäftigt euch mit der Anatomie der zu trainierenden Muskeln. Denn aus dieser lassen sich meist schon die korrekte Übungsausführung und eventuelle Fehlerquellen ableiten.