Dieser Artikel geht dem Hype um das selbstklebende Kinesio Tape auf und dessen Wirkungen auf den Grund. Wir erklären was es mit „Taping“ auf sich hat und ob es überhaupt sinnvoll ist, bzw. hält was es verspricht.
Ursprung und Eigenschaften
Das bunte mit Polyacrylatkleber versehene Kinesio Tape (griech. kinesis = Bewegung) wurde 1973 in Japan vom Chiropraktiker Kenzo Kase entwickelt. Dieser suchte neue Möglichkeiten im Bereich Sportverletzungen, aber auch der Rehabilitation für eine schonende Behandlung die betroffene Areale stützt, ohne die Bewegungsfreiheit einzuschränken.
Der verwendete Polyacrylatkleber wird durch die eigene Körperwärme aktiviert. Das Tape ansich ist wasserfest, lässt sich um bis zu 140% dehnen und Luft sowie Schweiß passieren. Oft wird der Einfluss von verschiedenen Farben des Tapes eifrig diskutiert, für viele nur eine clevere Werbestrategie mit anregenden und interessanten Farben zu locken, für andere jedoch mit festen Eigenschaften aus der kinesiologischen Farbenlehre verbunden. Hierzu später mehr.
Anwendung und Kinesio Tape Wirkungen
Lassen wir die Katze aus dem Sack: wofür ist dieses Tape nun gut? In erster Linie soll das Band bei Verletzungen im Gelenk oder der Muskulatur stützend wirken, dabei allerdings wie erwähnt nicht zu Bewegungseinschränkungen wie z.B. bei Schienen oder engen Bandagen führen. Zusätzlich verspricht man sich eine Art Massageeffekt durch die Bewegung des Tapes auf der Haut bei gewissen Aktionen des Anwenders. In der Zusammenfassung werden folgende Wirkungen versprochen:
- Verbesserung der Beweglichkeit
- Funktionsverbesserung der Muskulatur
- Schmerzreduktion
- Unterstützung der Bänder
- Verbesserung des Lymphabflusses
Der blickige Leser mag erkennen das einige der Wirkungen recht schwammig und extrem allgemein formuliert daherkommen. Darum heißt es nun: Karten auf den Tisch, was bringts und was ist versprochener Mythos?
Kinesio Tape – die nackte Wahrheit
Zunächst einmal stellen wir eines klar: Kinesio Tape hat die selbe Wirkung und Funktion wie jedes andere Tape das schon seit etwa 100 Jahren Anwendung findet [1]. Eine Ursache für das extreme aufkeimen des Trends, sich mit bunten Bändern abzukleben liegt sicher in den Olympischen Sommerspielen 2008 in Beijing. Dort sah man etliche Athleten, deren Körper nahezu überzogen von diesem scheinbar neuartigen Tape waren. Natürlich haben Profisportler eine ganz beachtliche Werbewirkung wenn es sich um Nahrungsergänzungsmittel, Klamotten oder eben gewisses Equipment dreht.
Es dauerte nicht lange und Studien über die vielen positiven Wirkungen schossen wie Pilze aus dem Boden.
Die Kinesio Tape Wirkungen im Test
Wie bereits im Vorfeld erwähnt, hat Kinesio Tape in den meisten klinischen Untersuchungen im Gegensatz zu handelsüblichem Tape keinen Mehreffekt. Die Verbesserungen im Bezug auf Muskeldurchblutung, Schmerzreduzierung und Beweglichkeitssteigerung sind nachweisbar, haben aber laut der meisten Untersuchungen wenig Relevanz, oder sind in ihrer Wirkung zu gering [1][2][4].
Kenzo Kase behauptet über sein Tape, dass das anheben der Epidermis eine gesteigerte Durchblutung bewirkt, bei welcher das Blut leichter in verletzte und eingeschränkte Bereiche fliessen kann. Dies soll den Gewebestoffwechsel anregen, die Entzündung reduzieren und somit für eine gewisse Schmerzlinderung sorgen. Studien u.a. zu dieser Wirkung konnten dies jedoch nicht hinreichend belegen.
Eine größer angelegte Untersuchung mit 6 Einzelstudien befasste sich mit der Wirkung des Tapes im Bezug auf z.B. Rückenschmerzen im Akutstadium und chronischen Zustand. Zusätzlich wurde untersucht, in wie weit das Tape zu einer Stabilisierung und Beweglichkeitsverbesserung beiträgt. 2 der Untersuchungen befassten sich mit Verletzungen der unteren Extremität, hier konnten keine besonderen Verbesserungen nachgewiesen werden [3]. Im Bezug auf die Wirbelsäule stellte man zumindest bei akuten Verletzungen (24h) eine Schmerzlinderung fest [3].
Unser Moderator Sportsfreund konnte ähnliche Erfahrungen machen:
1) sehr gute und schnelle (<1 Tag) Wirkung und Verbesserung bei einer gereizten Bizepssehne
2) keine merkbare Wirkung bei BeinenMeine Meinung ist, dass es wohl individuell anschlagen kann oder nicht, wenn man etwas akutes hat, grundsätzlich einen Versuch wert als begleitende Therapie.
Eine in Italien angelegte Studie untersuchte das Tape bei 36 gesunden Testpersonen im Hinblick auf die Kraft und Perfomance des Quadriceps (vierköpfiger Oberschenkelstrecker). Neben Sprung- und Maximalkrafttests, wurde unter 3 Gesichtspunkten untersucht:
- appliziertes Tape mit dem Ziel die Muskelkraft/Performance zu steigern
- appliziertes Tape mit dem Ziel die Muskelkraft/Performance zu hemmen
- falsch appliziertes Tape mit dem Ziel verfälschte/neutrale Ergebnisse zu erhalten
Ergebnis:
Keine der 3 angelegten Formen brachte eine signifikante Veränderung im Bezug auf Muskelkraft und Performance [5]
Fazit:
Grundsätzlich sollte man festhalten das Kinesio Tape zwar keine Wunder bewirkt, aber zumindest als unterstützende Maßnahme in einer Therapie Sinn machen kann. Ebenso ist es von Bedeutung wer dieses Tape anlegt, hier ist ein komplexes anatomisches Wissen genauso, wie die dazu passende Ausbildung Pflicht. Ein „Therapeut“ mit Wochenendseminar ist nicht mit der Erfahrung und Kompetenz eines langjährig praktizierenden Fachmanns zu vergleichen.
Die unterschiedlichen Farben haben übrigens mehr psychologischen Charakter als wirklich maßgeblich Einfluss auf die Heilung zu haben. Farben haben seit jeher Einfluss auf unsere Psyche, dies soll sich in den bunten Tapes wiederspiegeln, rot z.B. anregen, blau beruhigen und grün heilend wirken. Auch wenn die Auswahl einen positiven Einfluss auf unsere Genesung haben kann, beruhen diese Meinungen auf esoterischen Gesichtspunkten die wissenschaftlich vorerst nicht mess- und belegbar sind.