Zum Kraftsport gehört -wie bei allen Sportarten- leider auch das unliebsame Thema Verletzungen dazu. Zunächst aber mal: Ich halte gerade Kraftsport und auch leistungsmäßig betriebenen Kraftdreikampf für NICHT verletzungsanfällig. Grundsätzlich handelt es sich meiner Ansicht nach um kontrollierte Bewegungen, bei einigermaßen korrekter Übungsausführung sollte sich auch der körperliche Verschleiß im Rahmen halten. Der gesundheitliche Vorteil der starken Muskulatur überwiegt einfach immer mehr!
Nichtsdestotrotz hat es mich leider im Dezember 2012 heftig erwischt. Zunächst zu mir: Ich war damals 24 Jahre alt und seit etwa 6 Jahren wettkampfmäßig im Kraftdreikampf unterwegs, das Ganze aktuell mit einem Körpergewicht zwischen 104 und 105kg. Ich verstehe mich selbst heute als „richtigen Powerlifter“ und habe auch zum damaligen Zeitpunkt schon sehr viel in den Sport investiert. Dabei habe ich in meinen ersten Jahren sicher nicht alles richtig gemacht. Zweifelhafte Übungsvarianten (Trainingssystem war lange das Westside Barbell-System), fehlerhafte Technik und zu hohe Intensitäten führten bereits im Jahr 2009 zu (leichten) Rückenproblemen. Diese hatte ich damals recht schnell wieder im Griff, jedoch war der Grundstein für die heftige Verletzung im Jahr 2012 dann wohl gelegt.
Der Trainingsunfall
Es sollte ein recht schweres Training am Vormittag werden, am Abend stand eine Weihnachtsfeier mit Kollegen auf dem Plan. Ich wärmte mich für raw Kniebeugen auf, es sollte auf ein Arbeitsgewicht von 160kg für einige Wiederholungen hochgehen. Doch bereits bei 120kg passierte es, ich beugte und merkte am tiefsten Punkt der Bewegung plötzlich in der LWS einen stechenden Schmerz. Ich wusste instinktiv sofort, dass gerade etwas Ernstes passiert war. Ich beugte wieder nach oben und legte die Hantel ab. Ich spürte direkt, wie mein linkes Bein zu schmerzen begann. Dies war klar als Ischiasschmerz zu definieren, ich merkte sogar wie das Bein im Nervenbereich langsam taub wurde. Ich begann sogar sofort mit Erstmaßnahmen wie Stufenlagerung, humpelte dann in die Umkleidekabine. Nach einer heißen Dusche, die keine Linderung brachte, verließ ich das Gym. Ich versuchte es mit (leichten) Schmerzmitteln und zu Hause mit Stufenlagerung und Wärmepackungen. Ich besuchte sogar kurz die Weihnachtsfeier am Abend, fuhr dann aber schnell nach Hause, da sitzen nicht auszuhalten war.
Am kommenden und übernächsten Tag standen Arztbesuche an, schlussendlich zeigten die CT-Bilder einen Bandscheibenvorfall L5/S1, auch die darüber liegenden Bandscheiben waren angegriffen im Sinne von Vorwölbungen. Die Schmerzen waren dank verschriebener Tabletten besser auszuhalten, was mir aber Sorgen machte war die Taubheit im linken Bein. So konnte ich mich zwar noch auf die Zehenspitzen stellen, so aber nicht mehr laufen. Dies führte auch dazu, dass mir eine Orthopädin eine OP empfahl. Ich will diese Ärztin nicht verteufeln, aber ich bin im nach hinein heilfroh, mir weitere Meinungen eingeholt zu haben und mich gegen eine OP entschieden zu haben. Mein Bauchgefühl damals sagte mir nein und um es vorwegzunehmen, es war die absolut richtige Entscheidung!
Akute Phase und Reha
Ich wurde zunächst natürlich krank geschrieben und ich begann meine persönliche Reha. Diese sah in der ersten Phase so aus, dass ich zumeist zwei Einheiten am Tag durchführte! In der Regel am Vormittag eine Kraft-/Gymnastik-Trainingseinheit, am späten Nachmittag/Abend dann in der Regel Physiotherapie, Spazierengehen, laufen im Wasser, später auch Aquajogging. Zwischendurch habe ich aber auch gelegen, oft in Stufenlagerung. Was dem entzündeten Nerv wirklich gut tat war Kälte, ich legte nasse Geschirrhandtücher ins Gefrierfach und diese mir später auf den Nervenbereich. Der untere Rücken bekam aber auch Wärmepackungen ab, da die Muskulatur hier echt verspannt war.
Ich muss im nach hinein sagen, dass dieser Reha-Plan die absolute Grundlage für die Genesung und den Wiederaufbau war! Langsam steigende Kraftbelastungen (am Anfang nur Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, dann nach und nach ganz leichte Gewichte, auch erhöhtes ganz leichtes Kreuzheben etc.), sowie die Bewegungseinheiten förderten eine rapide Erholung. Durch gehen wird das ausgetretene Bandscheibenmaterial abgetragen, sehr gut war natürlich auch das Gehen im Nichtschwimmerbecken im Hallenbad. Durch die Schwerelosigkeit konnte ich hier sogar wieder auf den Zehenspitzen gehen. Ich konnte fast täglich Steigerungen und Verbesserungen im Gesundheitszustand feststellen.
Ich denke genau dieser Umstand hat mir die notwendige mentale Stärke für alles gegeben. War ich in den ersten Tagen der Verletzung natürlich mental völlig am Boden -ich hatte sogar meine KDK-Karriere für beendet erklärt- so erholte ich mich auch psychisch nach und nach. Mich packte der Ehrgeiz und ich wollte „Reha-Bestleistungen“ jagen.
Was sich gut anhört birgt in meinen Augen aber auch die Gefahr, hier es zu schnell zu angehen zu lassen. Man sollte in meinen Augen hier wirklich behutsam vorgehen und ganz langsam steigern, selbst wenn man das Gefühl hat eine höhere Belastung wäre schon wieder möglich. Falscher Ehrgeiz ist hier nicht angebracht!
Auch meine Ernährung fand eine positive Entwicklung, ich nahm nach und nach langsam ab.
Ich schaffte es in etwa 2,5 Wochen einen recht passablen Zustand zu erreichen, ich war teilweise ganz schmerzfrei und hatte bereits ein paar überflüssige Kilos verloren. Auch die Motorik erholte sich, der Zehenspitzengang wurde langsam wieder möglich.
Aufbauphase und KDK-Comeback
Natürlich war die Verletzung noch lange nicht ausgeheilt. Innerlich war die KDK-Karriere ja beendet, aber es sollte mit Bankdrücken noch weitergehen. Ich habe recht schnell wieder gedrückt, erst mit Beinen oben, aber nach wenigen Wochen auch wieder in gewohnter Technik, recht bald sogar wieder mit Wettkampf-Shirt. Die anderen Übungen sollten auch langsam wieder aufgebaut werden, ohne hier in Richtung Maximalversuch zu trainieren. Gebeugt wurde zunächst nur abgewandelt, hier empfehle ich vor Allem die „Braced Squats“ (man hält eine Scheibe mit ausgestreckten Armen und macht freie Kniebeugen). Kreuzheben wurde im Powerrack von Pins, also erhöhtes Kreuzheben, ausgeführt. Nach und nach stiegen hier die Gewichte, nach etwa 3 Monaten hob ich wieder 5x120kg, etwas später dann sogar wieder vom Boden, also über den vollen Bewegungsumfang. Nach und nach stiegen die Gewichte wieder, aber ganz langsam und kontinuierlich von Woche zu Woche. 3,5 Monate nach der Verletzung beugte ich erst wieder das erste Mal „richtig“. Auch hier ging es dann langsam, aber kontinuierlich wieder bergauf mit den Gewichten. Anfang Mai 2013, also etwa 5 Monate nach der Verletzung hatte ich wieder meinen ersten Wettkampf, einen Bankdrück-Wettkampf. Hier startete ich mit einem Körpergewicht von 92,9kg, ich hatte also etwa 12kg Körpergewicht verloren.
In der Woche drauf hob ich das erste Mal wieder 200kg+ im Training. Die Gewichte im Kniebeugen und Kreuzheben stiegen und stiegen, wettkampfmäßig wurde noch an der Deutschen Meisterschaft Bankdrücken teilgenommen. Ich merkte aber schnell, dass reines Bankdrücken mich nicht erfüllen würde. In mir wuchs der Gedanke eines Comebacks im KDK. Im Juni 2014 war es soweit und ich nahm wieder im Kreuzheben teil, bei der Landesmeisterschaft Hessen. Ich hob 260kg und landete auf Platz 1 in der Klasse -93kg. Im September kam es dann auch wieder zu einer Teilnahme bei einem KDK, hier wurde ich aber leider mangels Beugetiefe disqualifiziert. Ich zog den Wettkampf dennoch bis zum Ende durch und im Kreuzheben hob ich jedoch sogar noch 265kg.
Nach und nach konnte ich mich in allen Disziplinen wieder etablieren und bin heute wieder sehr aktiv. Mein Gewicht hat sich zwischen 93-94kg eingependelt und ich starte regelmäßig bei Wettkämpfen.
Fazit
Ich hoffe euch mit meinem Erfahrungsbericht gezeigt zu haben, dass selbst eine schwerere Verletzung nicht zwingend das Ende jeglichen schweren Kraftsports darstellen muss. Ganz wichtig ist es in meinen Augen, sich vor allem zu Beginn der Rehaphase absolut zusammenzureißen! Als Kraftsportler ist man es gewohnt an Grenzen zu gehen und es sich „richtig zu geben“. Genau das muss man zunächst einmal vergessen. Leichte Einheiten, viel Bewegung im Wechsel mit Ruhephasen sollten den Alltag bestimmen. Dazu Unterstützung eines guten Physiotherapeuten. Die mentale Fokussierung auf reine „Reha-Bestleistungen“ ist in meinen Augen sehr wichtig, Maßstab sollte hier immer das körperliche Wohlbefinden und nicht irgendwelche Kraftleistungen sein.
Leider muss ich aber auch sagen, dass eine Bandscheibenverletzung nie ganz weg sein wird. Ich fühle mich heute zwar fit und bin sehr aktiv im KDK, aber es wäre auch gelogen, dass ich die Verletzung nie spüren würde. Eine gewisste Obacht im Hinblick auf meine LWS ist immer geboten. Ich achte heute viel stärker auf eine saubere Technik, gehe ab und an weiterhin begleitend zu einem Physio und nutze außerdem Rollen und einen Baseball zur Behandlung von Triggerpunkten und verspannter Muskulatur. Ich habe gelernt mit der Bruchstelle in meinem Körper gut zu leben und bin heilfroh, wieder im KDK angekommen zu sein. Meine Motorik (Zehenspitzengang) ist wieder einwandfrei und ich bin relativ gesehen stärker als je zuvor!
Ohne diesen Sport würde mir wirklich etwas fehlen! Ich drücke jedem, der ähnliche Verletzungsmiseren mitgemacht hat und aktuell mitmacht, die Daumen dass er eine ähnlich positive Entwicklung wie ich erfährt!
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