EMOM ist der letzte Schrei der Crossfitter. Doch was können die Bodybuilder und Kraftsportler daraus lernen? Eine ganze Menge, sage ich.
In diesem Beitrag erkläre ich die Methode, begründe sie und gebe Beispiele, wie man sie ins Training und die Periodisierung einbauen kann.
Was sind Supersätze und was ist EMOM?
In Supersätzen zu trainieren heißt, dass du ohne nennenswerte Pause von einem Satz direkt zu zweiten Übung wechselst und dort einen weiteren Satz absolvierst.
Beispiel: Du führst einen Satz Bankdrücken aus, stehst auf und machst sofort einen Satz Wadenheben.
Supersätze werden oft lediglich als Intensitätstechniken im Bodybuilding verwendet und wir kennen diese oft nur in Verbindung mit Isolationsübungen.
- Agonistische Supersätze (Zwei Übungen für die jeweils gleiche Muskulatur) wie die Fliegende nach dem Bankdrücken
- Antagonistische Supersätze (Zwei Übungen für die jeweils gegenüberliegende Muskulatur) wie Kombinationen aus einer Bizeps- mit einer Trizepsübung.
- Supersätze die weit auseinander liegende Muskeln bearbeiten wie Dips und Wadenheben
In diesem Beitrag rede ich von den letzten beiden Kategorien.
- Gießing, Jürgen (Autor)
Wie mache ich Supersätze richtig?
Technisch gesehen ist mein Vorschlag keine reine Supersatzmethode. Gott sei dank sind wir nicht im Technikunterricht sondern im echten Leben.
Die aus meiner Sicht vernünftigste Methode ist die Startintervallmethode: ich stelle meinen Intervalltimer auf 45-60s und fange zu jedem Piepen einen neuen Satz an.
In der Crossfit Community nennt sich das oft every minute on the minute (EMOM). Zu jeder vollen Minute wird ein Satz angefangen. EMOM wird bei ihnen eingesetzt um eine hinreichende Ausführungsqualität schwerer und komplexer Übungen zu gewährleisten und trotzdem mit hohem Volumen und hoher Belastung die Ausdauer zu kombinieren.
Hohes Volumen bei guter Ausführungsqualität? Das sind Kriterien, die für so ziemlich jeden Bereich von Widerstandstraining gelten sollten, nicht wahr?
Wirklich zentral ist, dass du niemals zum Muskelversagen oder in die Nähe kommst. Das verlängert die Regenerationszeit innerhalb der Trainingseinheit und du kannst wesentlich weniger qualitativ gute Gesamtwiederholungen in deinem Krafttraining absolvieren.
Fünf Gründe für EMOM
(1) Du trainierst zeiteffizient.
Wenn du Supersätze machst, sparst du Zeit, weil du schlicht weniger Pause pro Übung machst, es sei denn, du gleichst den Supersatz durch zwei, drei Minuten Facebook nach dem Satz wieder aus. Ich hoffe, dass du nicht einer dieser Menschen bist. Wenn doch: Schmor‘ in der Hölle.
Wie du diese Zeit einsetzt ist dann dir überlassen.
Du kannst die Trainingszeit pro Trainingseinheit so verkürzen. Kürzere Trainingseinheiten können sich leichter in unseren übervollen Alltag aus einfügen.
Wenn es dir allerdings so wie mir geht, dann kannst du die neugewonnen Zeit direkt wieder ins Training reinvestieren und mehr Training in der gleichen Zeit absolvieren.
Warum muss man keine solange Pause machen?
Ein großer Teil der Pause ist einfach nur dafür da, damit du der trainierten Muskulatur Erholung gibst. Das heißt nichts weiter, dass du lokale Ermüdung durch eine Pause ausgleichst. Bei jeder Übung gibt es noch Muskulatur, die frisch bleibt.
Deine Beine brennen, weil du gerade einen Satz Kniebeugen gemacht hast? Dann mach‘ noch ein paar Klimmzüge hinterher. Deinen Lat und deinen Bizeps hast du beim Beugen hoffentlich nicht benutzt.
Mach‘ dich allerdings darauf gefasst, dass du mehr zentrale Ermüdung erleiden wirst. Mit anderen Worten: Dir wird ganz schön die Pumpe gehen.
Zentrale Ermüdung? Was ist mit dem zentralen Nervensystem?
(2) Du schonst dein ZNS.
Der gesunde Menschenverstand sagt, dass das Training auch das zentrale Nervenssystem (ZNS) stark belasten sollte. Schließlich ist Belastung durch die verringerten Pause doch eigentlich höher.
Es ist die Vorbereitung auf einen Satz frisst einen großen Teil deiner psychischen Energie. Normalerweise ist das Training ein beständiges auf und ab zwischen der Anstrengung des Satzes und der Erholung der Pause. Wenn du die Pause verkürzt und zwischen zwei oder mehr Übungen wechselst, verbleibst du mehr oder weniger in ein und demselben mentalen Zustand.
Du drehst mental für den Satz nicht mehr so stark auf und in den Pausen fährst du nicht mehr so stark runter. Es ist meiner Erfahrung nach dieses Auf und Ab, dass einen großen Anteil an der psychischen Belastung durch das Training ausmacht.
Weil EMOM oder das Startintervalltraining dieses Auf und Ab entfernt, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es trotz hohen Volumens schonend für das Nervensystem ist.
(3) Du setzt einen Ausdauerreiz.
Auf jeden Fall wirst über die gesamte Dauer deines Trainings ganz schön schnaufen. Das ist schließlich auch einer der Gründe, weshalb Crossfitter dies als einen Kompromiss betrachten. Du wirst ein zusätzliches und ordentliches Ausdauertraining bekommen. Ausdauer kannst du auch an der Hantel ausreichend trainieren.
Momentmal, wirst du vielleicht einwenden. Ausdauertraining ist doch Gift für die Gainz! Erinnern wir uns, warum EMOM interessant ist: Du kannst ein hohes Volumen mit einer guten Übungsqualität komplexer und schwerer Übungen kombinieren.
Hohes Volumen von Kniebeugen, Kreuzheben, Dips, Klimmzügen und den anderen Moneymakern mit hohem Gewicht. Um deine Zuwächse wirst du dir keine Sorgen machen, solange du progressiv trainierst.
(4) Du erhöhst deine Arbeitskapazität.
Deine Arbeitskapazität ist einfach die Fähigkeit Arbeit zu verrichten, also zum Beispiel zu trainieren. Je höher deine Arbeitskapazität ist, desto mehr kannst du trainieren. Das gilt für sowohl für kurze Zeiträume (innerhalb einer Trainingseinheit) als auch für längere Zeiträume (innerhalb einer Trainingswoche).
Durch EMOM erhöhst du die Arbeit, die du verrichtest und trainierst eben jene Fähigkeit.
(5) Du lernst auf Knopfdruck „on“ zu sein.
Ich war einmal an den Punkt, an welchem ich schon fast einen rituellen Beschwörungstanz vor jedem Satz machen musste um mich bereit zu fühlen.
Bei EMOM läuft die Uhr gnadenlos weiter. Du wirst manchmal von der Kürze der Pause überrascht sein und manchmal wird sie dir eher lang vorkommen. Den Satz fängst du trotzdem beim Piepsen des Timers an.
So wie ein Sprinter lernen muss zu einem bestimmten Zeitpunkt maximal leistungsfähig zu sein, lernst du dies genauso.
(5) Du hast keine Zeit zu quatschen.
Du konzentrierst dich mehr auf dein Training. Das Studio ist normaler Weise auch ein Ort der sozialen Kontakte. Wir treffen Freunde und lernen natürlich auch neue Leute kennen. Das ist an und für sich genommen etwas Positives. Aber du bist ins Studio gekommen um zu trainieren und quatschen kannst du auch hinterher.
So wie es eine Work-Life-Balance gibt, gibt es in der Muckibude eine Gelaber-Training-Balance: Kein Gelaber beim Training. Der Timer läuft! Wenn du fertig bist, kannst du noch die große Runde durch das Studio gehen, ein kleines Pläuschchen halten und die anderen von ihrem Training abhalten.
EMOM richtig einsetzen
Vorab: EMOM heißt viele Sätze und wenig Wiederholungen. 10×3, 10×5, 8×4 sind Satz-/Wiederholungsschemen, die in Frage kommen. Halte dich aber nicht an eine bestimmte Satzzahl. Deine Tagesform wird entscheiden, wie viele Sätze du machen kannst. EMOM heißt zwar schwer und hochvolumig zu trainieren, auf keinen Fall aber darf die Übungsausführung leiden.
EMOM funktioniert nur, wenn du viele, qualitativ hochwertige Wiederholungen sammelst. Das bedeutet, dass du im Falle eines Einbruchs deiner Übungsform diese Übungen beenden solltest. Entweder gehst du dann zur nächsten Übung über oder du bist beim Ende deines Trainings.
EMOM setze ich als allgemeines und unspezifisches Krafttraining ein. Es ist im strengen Sinn weder Maximalkrafttraining noch Muskelaufbautraining. Trotzdem hat das Training einen erheblichen Effekt auf sowohl die Maximalkraft als auch auf die Muskelmasse. Vergessen wir nicht: Wir absolvieren viele Wiederholungen großer Grundübungen mit hoher Intensität.
Um das Ganze ein bisschen greifbarer zu machen gehe zwei klassische Fälle durch. Der erste ist der Fall des Bodybuilders und der zweite Fall ist der des allgemeinen
Bodybuilding
Der Bodybuilder verwendet auf der einen Seite die Gewichte nur als Mittel zum Zweck. Eigentlich ist es ihm egal, wie viel Gewicht er bewältigen kann. Das Gewicht sollte nur seinen Zweck erfüllen: Es soll die Muskeln wachsen lassen. Das heißt aber nicht, dass das Gewicht keine Rolle spielt.
- Stark zu sein hat den Vorteil, dass man mit höheren Gewichten arbeiten kann, so dass man einen größeren Wachstumsreize setzen kann.
- Man muss progressiv trainieren. Das heißt, dass man als Folge der beständigen Steigerungen des Gewichts, sich ohnehin damit anfreunden muss auch mal schweres Eisen zu bewegen.
- Wenn wir ehrlich sind: Jeder von uns findet es geil stark zu sein. Wenn du das liest, bist du mit großer Wahrscheinlichkeit kein Profibodybuilder, sondern betreibst das Training als Hobby. Ob man nun damit angeben will oder einfach nur das Gefühl stark zu sein an sich mag: Besonders wir Männer lieben es stark zu sein. Bei aller Emanzipation brauchen wir uns da nichts vormachen.
Allerdings habe ich festgestellt, dass viele Frauen ihre Kraft mindestens genauso genießen. Der erste Klimmzug einer Frau ist verrückter Weise ein ganz besonderes Erlebnis.
Jede Frau, mit welcher ich darüber gesprochen habe, hat mir ganz stolz und freudig davon erzählt. Die Fähigkeit sich mit den Armen irgendwo hochzuziehen zu können scheint der Frau ein Gefühl der Selbstsicherheit zu geben.
- Abbott, Christmas (Autor)
EMOM ist für einen Bodybuilder so etwas wie Basistraining, auf dem er aufbauend dann seine Schwerpunkte setzen kann. Wie das dann im Detail aussehen kann, kannst du am Ende des Beitrags
Kraftsportler
Für Kraftsportler ist EMOM ebenfalls Basistraining. Allerdings sind hier die Rollen vertauscht. Für sie ist anders als beim Bodybuilder die Muskelmasse die allgemeine Basis und die Kraft dasjenige, was herauskommen soll.
Hier liefert EMOM eine Methode die Muskelmasse zu erhöhen, ohne auf hohe Wiederholungszahlen zurückgreifen zu müssen. Doch auch im Bereich Ausdauer hat EMOM für Powerlifter einiges zu bieten.
Besonders Kraftsportler haben das Problem, dass ihnen jegliche Ausdauerkomponente im Training fehlt. Die Folge ist eine schlechte Fitness und eine völlig desolate Gesundheit.
Ich gehe davon aus, dass die meisten Kraftsportler Amateure sind. Es ist völliger Quatsch mit der Ausrede des Krafttraining fett und träge zu werden. Training sind nur kurze Momente im Leben. Gesundheit ist ein Zustand, der 24h am Tag anhält.
Die Wettkampfathleten sollten es eigentlich noch besser wissen. Deswegen meine Frage: Habt ihr sie noch alle? Was glaubt, ihr wie es eure Regeneration beeinflusst, wenn euer Cholesterinprofil im Arsch ist und die Entzündungswerte durch euren Blubber am Bauch am Anschlag sind?
EMOM ist eine Möglichkeit deine Gesundheit zu verbessern ohne irgendeine Form von Ausdauertraining zu machen, so dass Cardio auch deine Gainz nicht killen kann. Ausreden hast du nach diesem Artikel keine mehr.
Im nächsten Abschnitt stelle ich dir ein paar konkrete Anwendungsbeispiele vor.
Anwendungen
EMOM für Bodybuilding
- Ein Beispiel ist die teilweise Auflösung des Splits zu einer Art des Ganzkörpertrainings. Siehe dazu Beispiel A.
- Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von EMOM im Bodybuilding wäre zwei reine EMOM-Tage einzubauen. Hier verwendest du nur großen Übungen an EMOM-Tagen und die Isolations- und Ergänzungsübungen verlegst du auf andere Tage. Siehe dazu den Beispiel B.
- Du kannst auch eine Übung richtig ausreizen und dann dein restliches Training anschließen. Das ist zwar nicht genau im Sinne des Artikels, aber es geht trotzdem. Siehe dazu Beispiel C.
EMOM für Kraftsportler
- Du kannst einen (oder mehr) Mesozyklen einen Trainingsplan basierend nur auf der EMOM-Methode trainieren. So erhöhst du deine Arbeitskapazität und hast die Gelegenheit viele verschiedene Bewegungen in dein Training einfließen zu lassen, so dass du ein breites Bewegungsspektrum abdeckst, was dir in den späteren Spezialisierungsphasen zu Gute kommen wird. Siehe dazu Beispiel A.
- Wenn du nach Westside Barbell trainierst, sieht dein Training im Grunde so aus, dass du am Anfang entweder einen Maximal Effort oder einen Dynamic Effort Block hast und danach in deine Special Exercises gehst. Deine Special Exercises kannst du im EMOM gestalten. Siehe dazu Beispiel D. (Louie Simmons würde mich wahrscheinlich dafür töten, dass ich an seinem Baby herumschraube)
- Du kannst EMOM-Tage einführen. Zusätzlich zu deinem Trainingsplan absolvierst du Trainingseinheiten mit der EMOM-Methode um die Zielbewegungen (z.B. Wettkampfkniebeuge) zu üben.
Beispiele
Beispiel A
Einen Trainingsplan, der gänzlich auf diesem Prinzip basiert findest du hier: Basiskrafttraining für Fortgeschrittene. Es ist im wesentlichen ein Ganzkörperplan, wobei an je einem Tag die Betonung auf entweder Push oder Pull gelegt wird.
Wenn du ein Powerlifter bist, würdest du nach einer beliebig langen Phase dieses Basiskrafttrainings in deine Spezialisierungsphase gehen.
Beispiel B
Montag:
Montag: EMOM Push (Kniebeugen + Bankdrücken; Frontkniebeugen + Schulterdrücken)
Dienstag: Trizeps, Bauch, Quadrizeps, Brust, Waden
Donnerstag: EMOM Pull (Kreuzheben + Klimmzüge; Ausfallschrittgehen + Kabelzugrudern)
Freitag: Bizeps, Bauch, Beinbeuger, Traps, Rotatoren,
Beispiel C
Ein Beispiel Tag mit Brust und Trizeps als Teil eines klassischen 3er Splits:
Bankdrücken EMOM 12×3
Kurzhantelbankdrücken 4×10
Flys am Kabelzug 4×12
Trizepsdrücken 4×12
Seitheben 4×12
Beinheben im Hang 4xmax
Beispiel D
Oberkörper Dynamic Effort
12×2 Bankdrücken mit Bändern
EMOM 1
10×5 Kurzhantelrudern + JM Press
EMOM 2
10×6 Kurzhantelschulterdrücken + Hammercurl
Bauch
Abschließende Worte
Ich halte es für wichtig, dass man offen für die Ideen aus anderen „Lagern“ ist. Ähnlichkeiten sind häufiger als Unterschiede und Unterschiede sind oft versteckte Ähnlichkeiten.
Hauptsache man ist stärker als der Andere.
Copyright: Sascha Fast
Foto: mueritz via Compfight cc
Letzte Aktualisierung am 2024-11-22 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API