Da ist die Kolumne fertig und ich überlege krampfhaft was ich nun in die Einleitung schreibe, geht es doch den meisten Autoren im Regelfall anders herum, aber lieber ein passender Inhalt mit beschnittenem Prolog. Wenigstens das Wetter spielt mit und wir vom Adoniskomplex gestörten Eisensportler können auch mal ganz fremden Leuten zeigen wie beeindruckend Sixpack und Trizeps durchs Shirt gepresst werden. Viel Spaß bei der 16. Ausgabe meiner Kolumne wünscht euch forti.
# 1
insulogene Wirkung – das Timing und die Matrix machen den Unterschied
Der ein oder andere nimmt ja gern mal das ein oder andere Supplement, ob nun Glutamin, Aminotabs oder Creatin, all diese Stoffe benötigen den gewissen Insulinkick. Das Hormon der Bauchspeicheldrüse öffnet den Substanzen Tür und Tor in der Muskelzelle und optimiert deren Transport und die Aufnahme am Zielpunkt – dem Muskel. Gering-kettige Kohlenhydrate sind also das Objekt der Begierde, bestenfalls nehme ich diese direkt nach dem Training ein um mittels Insulinausschüttung für ein anaboles Niveau zu sorgen und den regenerationsfördernden Effekt der Energieresynthese zu nutzen. Viele machen allerdings den „Fehler“ das Supplement zeitgleich mit dem Zucker einzunehmen oder sogar erst später einkettige Carbs zuzuführen, der Insulinpeak findet dann also erst sehr spät statt, obwohl das Supp schon längst im Magen-Darmtrakt rumdümpelt und der Organismus sich eher noch sträubt es aufzunehmen. Optimal und effizient wäre es schon ca. 10-15 Minuten vor der Einnahme des Ergänzungsstoffes für ein anaboles Klima zu sorgen indem ich Bspw. Wasser mit Dextrose, Maltodextrin oder eines von beidem im Whey-Shake zuführe. Saccharose, also den gewöhnlichen Haushaltszucker würde ich nicht unbedingt verwenden – er ist ein Dimer und besteht aus Dextrose und Fructose, letzteres wird relativ mühsam in der Leber umgebaut und verzögert den Insulinanstieg und mindert diesen in seiner Ausprägung. Optional eignet sich Traubensaft, wobei man hier darauf achten sollte das der Traubenzucker nicht durch Süßstoff ersetzt wurde. Und noch ein Tipp: nehmt warmes Wasser/Traubensaft – zum einen löst dieses besser und zum anderen wird das Gemisch besser verdaut.
# 2
wie man sich unfunktionelle Masse antrainiert
Zunächst mal was ist unfunktionelle Masse? Im Endeffekt antrainierte Muskelsubstanz und Kraft die ich im Alltag nur wenig bis gar nicht einsetzen kann. Beispiel gefällig: durch fehlende Bewegungskoordination, keinen relevanten Übertrag von Bewegungsmustern – > fehlender Spezifik und einer Schwäche in Kraft und neuronaler Ansteuerung/Aktivierung von stabilisierenden Muskeln bringt mir der Kraftgewinn beim „anpacken“ in der Freizeit nicht viel. Übungen wie Brust-Multipresse, Beinpresse, Rudermaschinen mit Bruststütze, Butterfly, Dip- und Bauchmuskelmaschinen etc. lassen uns die eigentlich wichtigen Bewegungsmuster verlernen, trainieren einseitig wirklich nur die prominenten Muskeln und vernachlässigen vor allem die stützenden und stabilisierenden Muskeln. 100Kg Brustpresse klingen gut, sind aber mit der Lh-Ausführung, erst recht aber mit 2 Kurzhanteln nicht umsetzbar. Lösung: komplexe freie Übungen wie Klimmzüge, Kreuzheben, Bankdrücken, Dips und der Beuge, gepaart mit der ein oder anderen freien Isolations-Übung finden einen guten Kompromiss zwischen optimalem Kraft- und Masseaufbau und einer Muskulatur die ich auch fernab des Trainings sinnvoll einsetzen kann. Der Kabelzug steht hier zwischen Freihantel und Gerät und ist meiner Meinung nach eine gute Alternative zur Grundübung an der Hantel. Und nicht vergessen:
„Every training session should include one exercise you hate.“
# 3
die 3 des Wachstums
Hormone? Mechanotransduktion? Satellitenzellen? Hyperplasie und exzentrische Belastung? Nein, gemeint sind 3 relativ simpel zu beeinflussende und zu erzeugende Faktoren die erst im Verbund zum maximalen Erfolg der Massezunahme führen: Wasser, Laktat und Stretch mit hohen Gewichten. Warum Wasser und was hat Milchsäure, die meisten denken da an Ausdauer, mit Muskelwachstum zu tun? Kohlenhydrate und Creatin sorgen für eine optimale Versorgung der Muskulatur mit Wasser, 1g an Carbs speichert 3g Wasser im Muskel, lässt ihn prall wirken und verbessert durch die gute Bewässerung auch unsere Proteinsynthese, d.h. die Aufnahme von Eiweiß im Muskel. Creatin verstärkt diesen Effekt zusätzlich, deshalb bei der Einnahme gute 750-1000ml Wasser pro Tag mehr einplanen. Laktat ist Säure, Säure zerfrisst Gewebe und zerstörtes Gewebe wird immer und immer wieder neu aufgebaut, nach den Gesetzen der Physiologie über das Normalmaß hinaus. Wie nutze ich das aber? Grundregel in jedem Satz: keine Entspannung des target Muscle, soll heissen – volle Kontraktion über die ganze Bewegung und bloß kein ablegen des Gewichtes, denn durch kurzzeitige Entspannung wird der Muskel wieder mit Blut versorgt was einen gewissen Puffer für den derben Laktatanstieg bewirkt und auch den Pump insgesamt verschmälert. Kurze Pausenzeiten, Verbund- und Trisätze, aber auch diverse andere Intensitätstechniken tun ihr übriges. Letzteres also Stretch + Exzentrik erklären sich von selbt, Bizepscurls auf der Schrägbank oder Pullover sind gute Beispiele – wird hier die negative Phase zusätzlich betont, reissen die Z-Scheiben und Fibrillen im Muskel schon von ganz allein.
# 4
Kleine Variationen – Dips
Klassische Dips am Holm sind bisweilen eine der effektivsten Oberkörperübungen im ‚Push‘-Bereich, durch ein paar kleine Veränderungen der Ausführung können bestimmte Muskelbereiche forciert angesprochen werden:
Brust-betont
– mittelweiter Griff
– Bauch kräftig anspannen
– Oberkörper leicht vorneigen
– Kopf in Verlängerung der Wirbelsäule
– Beine nach vorn ausstrecken – Gewichtsverlagerung auf die Brust
– Ellenbogen nicht direkt am Körper, aber auch nicht extrem abgespreizt führen
Trizeps-betont
– möglichst enger Griff
– Gesäß kräftig anspannen
– Oberkörper kaum vorneigen
– Kopf in Verlängerung der Wirbelsäule
– Ellenbogen bewusst am Körper führen
– Beine anbeugen und nach hinten bewegen
# 5
geballte Tonussenkung
Mit Tonus ist hier mal wieder die Muskelgrundspannung gemeint. Wärme, moderater Ausdauersport (Durchblutungssteigerung), Dehnung und Massagen sind die üblichen Verdächtigen die den meisten da spontan einfallen, ständig reproduzierbar ist nun folgende Routine die sich als spannungslöser und regenerationsbooster genauso gut eignet wie für Rehab-Zwecke bei gewissen Problemchen:
1. Mobility
Entweder als Ganzkörperworkout jedes Gelenk mit 1-2 Übungen zu 2-3 Sätzen bearbeiten oder explizit auf eine „Problemzone“ fokussiert ist Mobilitätsarbeit der ideale Muskellockerer und ideal zur Vorbereitung nun folgender Maßnahmen.
Bsp. für ein Schulterproblem: Wallslides, No-Money Drill, simple Mobility Drill.
Bsp. für den Golferellenbogen/Tennisarm: Wrist-Mobility, Wrist Mobility 2
Bsp. für ein Adduktorenproblem: Hip Mobility, Hip Mobility 2
Bsp. für einen verspannten Nacken: Scapula Mobility, Wallslides, Armkreisen
2. Foam Rolling
Ob mit Rolle, Tennisball oder anderen hilfreichen Gegenständen bringt diese Maßnahme eine zusätzliche Spannungssenkung mit sich, erhöht die Durchblutung und kümmert sich ggf. um lästige und schmerzende Triggerpunkte. Sollte man einen solchen entdeckt haben – auf ihm verweilen, den Muskel kurz maximal anspannen und dann sofort die Anspannung lösen und die Muskulatur schlagartig entspannen, es mag zunächst stark Schmerzen und sich seltsam anfühlen, innerhalb von 15-30 Sekunden sollte dieses unangenehme Gefühl jedoch nachlassen. 1-2 Minuten auf dem Punkt verweilen, das ganze 3-4x wiederholen und mit allg. drübergerolle über den target muscle abschliessen.
3. Dehnung
Zum Schluss beende ich meine Tonussenkung mit einer statischen Dehnung über 40-60 Sekunden, durch die vorherige Mobility-Arbeit und das Foam-Rolling ist die Grundspannung bereits deutlich reduziert was ein höheres Ausmaß der ROM bei unserer Dehnung ermöglicht und sie somit noch effektiver macht. Nicht nur zur Tonussenkung, sondern auch dem allg. erweitern des Bewegungsausmaßes. Zum Abschluss kann man besagtes und neu erworbenes Bewegungsausmaß mittels erneuten Mobility-Drills ‚festigen‘.
Autor: de-fortis