Shin Splints sind eine recht häufige Problematik bei Laufsportarten. Aufgrund der Tatsache das recht viele Sportler unter diffusen Schienbeinschmerzen leiden, findet auch dieser kleine Artikel in der Sparte Rehabilitation/Prävention seinen Platz auf unserem Portal.
Auch diesmal nehme ich mir kein Recht auf Vollständigkeit heraus, die folgenden Zeilen und Übungen sollen therapieunterstützend wirken, daher wünsche ich allen Betroffenen gute Besserung und viel Erfolg beim lösen der Hauptursache.
Shin Splints: Definition und Ursachen
Im englischen als Shin Splints bekannt, wird die Problematik der Schienbeinschmerzen hierzulande u.a. als Schienbeinkantensyndrom oder auch mediales tibiakantensyndrom (tibia = Schienbein, medial = mittig) bezeichnet.
Neben Überlastungen der Muskulatur im vorderen Bereich des Schienbeins, können auch Muskeldysbalancen, Abflachungen des Fußgewölbes mit Deformitäten (insbesondere Knick-Senk-Spreizfuß) aufgrund insuffizienter Fußmuskulatur1, sowie fehlerhafte Lauftechnik bei falschem Schuhwerk verantwortlich gemacht werden.
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Klar abgrenzen sollte man sog. Stress- oder auch Ermüdungsfrakturen die bei lang anhaltenden Belastungen in Verbindung mit geringen Trainingszuständen im Schien- und Wadenbein, aber auch den Mittelfußknochen entstehen können und ähnliche Beschwerden wie das Tibiakantensyndrom hervorrufen.
Alle oben genannten Ursachen haben eines gemeinsam: sie verstärken die Pronation (Einwärtsdrehung) im Sprunggelenk über das Normalmaß hinaus. Eine wichtige Rolle kommt hier dem m.tibialis posterior zu, dieser Muskel zieht vom Schienbeinrand über den Innenknöchel zum Fußinnenrand im Fußwurzelbereich.
Seine Hauptaufgabe (neben der Beugung im Sprunggelenk) besteht deshalb logischerweise darin den Fußinnenrand zu heben – die Supination. Beim laufen kommt es normalerweise zu einer kompensatorischen Pronation, die einen Dämpfungsmechanismus darstellt um Stoßkräfte bestmöglich abzufangen.
Jetzt kommen die fehlerhafte Lauftechnik, das falsche Schuhwerk und die Fußdeformitäten ins Spiel welche die Pronation wie erwähnt verstärken: der tibialis posterior ist bestrebt die kompensatorische Pronation durch Kontraktion, also Anspannung auszugleichen, dies benötigt bei genannten negativen Umständen enorme Kräfte.
Symptome
Die Folge vom beschriebenen Entstehungsmechanismus ist eine fortschreitende Überlastung des tibialis posterior welche durch den erhöhten Zug Fasereinrisse, Entzündungszeichen an Ursprung und Ansatz (Vgl. Golferellenbogen/ Tennisarm) sowie die bekannte Spannungserhöhung mit Druckschmerzhaftigkeit nach sich zieht.
Üblicherweise entstehen die Schmerzen nach den ersten Minuten des Belastungsbeginns und verschwinden meist erst Stunden nach Beendigung des Trainings. Nicht selten kommt es in Folge der Spannungserhöhung und dem geringen Platzangebot der Muskelfaszien2 im Unterschenkel zu Schwellungen welche die Schmerzen verstärken und schlimmstenfalls zu einem sog. Kompartment-Syndrom führen, einer manifestierten Schwellung bei der ein nötiger Blutabfluss behindert wird.
gut zu wissen: ebenfalls Kompartment – jedoch ein anderer Entstehungsmechanismus tritt bei starkem Wachstum der vorderen Unterschenkelmuskeln auf, bei dem die Muskelfaszien nicht genug Platz bieten und somit Nerven sowie Gefäße komprimiert werden – es kommt zu Einblutungen die meist nur operativ entfernt werden können.
Behandlungs- und Lösungsvorschläge des Schienbeinkantensyndrom
Oberste Priorität kommt zunächst der Schonung zu, d.h. es wird pausiert. Aktivitäten die eine stauchende Belastung auf Sprunggelenk und Unterschenkel bringen werden in der Akutphase ausgesetzt, dazu zählen u.a. joggen, sprinten, Seilspringen, Burpees, Sprünge + Landungen z.B. auch im Bereich turnen, plyometrische Übungen für den Unterkörper und Mannschaftsportarten.
Die Pause kann und sollte hier je nach Schweregrad und Manifestation bis zu mehreren Wochen andauern, wobei geringe Weiterbelastungen nicht völlig kontraindiziert sind.
Equipment zur Therapie
Bänder und Tubes sind für die gezeigten Übungen ideal. Auch Tennisbälle sowie eine Faszienrolle zum Rollout des Fußgewölbes und einer Spannungssenkung der Unterschenkelmuskulatur sollte man in die Therapie des Schienbeinkantensysndroms einbinden.
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Schmerzlinderung, Spannungssenkung und Stoffwechselanregung
Diese Ziele sind zu Beginn essentiell zur weiteren Behandlung durch rehabilitative Übungen. Durch die Regulierung des Tonus (der Muskelspannung) und einer Stoffwechselanregung erreiche ich gleichzeitig das erste Ziel: die Linderung der Schmerzen.
Praktischerweise beeinflussen sich alle 3 positiv da sie physiologisch eng miteinander zusammenhängen. Eisapplikation 3x täglich zu 15 Minuten, Eiswürfel- und Tennisballmassagen, Foam Rolling und Mobilisierungsroutinen treffen genau den Kern unserer ersten Ziele und sollten mehrmals täglich in moderater Dosierung erfolgen. Die folgenden Videos geben passende Beispiele:
Kräftigung der Unterschenkelmuskulatur
Stärkung der Supination und Fußstrecker
Auch ohne Wadenmaschine möglich indem man eine Kurzhantel auf einer Bank sitzend auf dem Fußrücken befestigt. 2-3 Sätzen, 2-3x pro Woche genügen hier.
Komplexe Stärkung der hinteren Unterschenkelmuskeln
Diese 3 Einzelübungen die sich wunderbar verbinden lassen, stärken neben dem tibialis posterior der für die Supination zuständig ist, auch den Peroneus (Pronation) und den 2-köpfigen Waden– sowie Schollenmuskel (Gastrocnemius u. Soleus).
Eine ideale Ergänzung, welche die auf das Sprunggelenk wirkenden Muskeln gleichmäßig kräftigt. 2-3x pro Woche zu 2-3 Durchgängen kann diese Übung mit Progression in Ausführungsqualität, Volumen, Wiederholungszahl und Widerstand stattfinden.
Kräftigung der Fußmuskulatur
Die im folgenden gezeigten Übungen können täglich und im Wechsel stattfinden, Variation ist hier wichtig um auch der Fußmuskulatur möglichst viel Abwechslung zu bieten und keine einseitigen Muster zu entwickeln.
Zusätzlich empfiehlt es sich oft auf verschiedenen Untergründen barfuß zu laufen. Im Sommer fordern Flip Flops viel Arbeit von der Fußmuskulatur, wer sie besitzt, sollte sie auch häufiger tragen.
relevante Dehnungen bei Shin Splints
tibialis posterior
Ein Buch oder eine Hantelscheibe auf den Boden legen, das vordere drittel des Fußes mit seiner Außenkante (Kleinzehseite, nicht den kompletten Vorfuß) auf die besagte Erhöhung stellen, Ferse auf den Boden. Das andere Bein nach vorn (in Schrittstellung). Nun das hintere Bein im Knie beugen und dabei dennoch mit der Ferse auf dem Boden bleiben und sogar versuchen selbige in die Unterlage zu drücken.
Diese Dehnung sollte dorsal3/medial4 am unteren drittel des Unterschenkels mit einem leichten ziehen zu spüren sein. Wie auch folgende Dehnübungen 1- mehrmals täglich à 3-4 Durchgänge zu 30-45 Sekunden statisch und am besten nach Mobilisierungen durchführen.
Schuhauswahl
Am besten lässt man sich hier vom Fachmann beraten, eine zusätzliche Gang und Laufanalyse bietet sich in jedem Fall an. Die Sohle sollte nicht zu hart gewählt werden, da ihre Steifigkeit die Ein- und Auswärtsdrehung eher hemmt.
Es gibt spezielle Sohlen und Schuhe unter dem Motto: „Antipronation“, unterstützend eine feine Sache, jedoch auf Dauer nicht die einzige in betracht zu ziehende Lösung – muskuläre und koordinative Defizite lassen sich so einfach nicht beheben. Ebenfalls sinnvoll und ein guter Kompromiss, dennoch mit Schuhwerk barfuß zu trainieren, sind die sog. Barfußschuhe.
Erst zusammen mit einem spezifischen Training der Fuß- und Unterschenkelmuskeln, passender Lauftechnik und einem sinnvoll geplanten Training ergänzt sich solch ein besonderes Schuhwerk.
Allgemeine Tipps:
- oft barfuß gehen
- häufiger wechsel des Schuhwerks (nicht nur im Training)
- als Beginner oder nach Trainingspausen langsam steigern
- Lauftechnik überprüfen, vorfußbetonte Laufstile vermeiden
- keine zu harten Untergründe für ein Lauf-, Sprinttraining wählen
- tägliche Fußgymnastik, Mobilisation und Dehnung (insg. 10-15 min)
Glossar
1 Insuffizienz – Abschwächung, geminderte Funktion
2 Muskelfaszie – muskelumgebende Schicht/Muskelhaut bzw. Loge
3 dorsal – Lagebezeichnung für rückseitig/“hinten“
4 medial – Lagebezeichnung für mittig
Quellen/Literatur[1] Sportanatomie 18. Aufl.- J. Weineck, Spitta Verlag 2008[2] Nichtoperative Orthopädie – Gustav Fischer Verlag 1985[3] Bildquelle: http://www.bartleby.com
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